Was ist er Nachlauf?

Orli · #1 Beitrag von **Orli** » 2. Januar 2004, 20:57

Erst einmal einen guten Start ins 2004! Wünsche allen viel Glück im Lotto, damit die neue LT schon bald in Reichweite sein wird, alles Gute und perönliches Wohlergehen!

A propos neue LT...

Die Neue soll einen 8 mm grösseren Nachlauf haben, um so die Stabilität zu verbessern.
Kann mir jemand erklären, was der Nachlauf ist und warum ein grösserer Nachlauf physikalisch stabiler sein soll?

Möglicherweise kennt jemand einen Link, wo das beschrieben wird.

Gruss aus der "saukalten" Schweiz
Orli

#2 Beitrag von **Dieter Siever** » 2. Januar 2004, 21:28

Hallo Orli,

hier die Erklärung. In dem Artikel sind die Zusammenhänge gut erklärt. So schöne Worte hätte ich nicht gefunden.

Quelle aus Deiner Heimat:

http://www.bikerspoint.ch

http://www.bikerspoint.ch/images/conten ... 00_118.gif

Die Lenkachse (1) ist die Gerade vom Lenker bis zum Ende der Lenkgabel. Der Lenkkopfwinkel (3) ist der Winkel, welcher entsteht, wenn die Lenkachse als Linie bis auf den Boden verlängert wird (4 = Schnittpunkt zwischen Lenkachse und Fahrebene). Der Radstand entspricht der Entfernung zwischen den beiden Radachsen eines Motorrades. Der Nachlauf (2) entspricht der Distanz zwischen dem Punkt, an welchem die Lenkachse als verlängerte Linie den Boden berührt und dem Punkt, wo die Radachse senkrecht auf dem Boden auftrifft. Je grösser der Nachlauf, desto grösser ist die sogenannte Rückstellkraft, welche für einen stabilen Geradeauslauf (auf Kosten der Handlichkeit) sorgt. Je kleiner der Nachlauf, desto handlicher wird das Motorrad im Kurvenbereich. Daher haben Chopper Modelle meist einen sehr langen Nachlauf (ca. 160 Millimeter), während dieser bei Cross - und Funmaschinen kurz ist (ca. 60 Millimeter).

Zitatende

Um die Funktion zu erklären:

Motorräder verfügen über ein sogenanntes Eigenlenkverhalten. Dieses entsteht durch das Zusammenspiel von Nachlauf und Lenkkopfwinkel.
Im Kenterbereich wird das Motorrad von der Fahrwerksgeometrie unterstützt, daher gilt: das Eigenlenkverhalten ist umso träger, je länger Nachlauf und Radstand sind und je geringer der Lenkkopfwinkel ist. Eine absolut gerade Fahrt gibt es nicht, denn Fahrzeug und Lenker fahren zur Stabilisierung permanent eine Schlangenlinie, dies um die störenden Einflüsse während der Fahrt mit einem Auspendeln um die Schwerpunktachse der Maschine auszugleichen. Das gleiche gilt natürlich auch für die Rücksellkräfte. Je höher die Geschwindigkeit ist desto mehr greifen die Trägheitskäfte ein und stabilisieren das Fahrzeug.

Ich habe mir das jetzt nochmal durchgelesen und verstehe es auch langsam nicht mehr. Bevor ich jetzt eine Doktorarbeit schreibe sollte das erstmal genügen.

Dieter

Tönne · #3 Beitrag von **Tönne** » 2. Januar 2004, 21:31

Hallo Orli

Abstand zwischen dem Vorderrad-Aufstandspunkt und dem Punkt, in dem die "gedachte" Verlängerung der Lenkachse den Boden trifft.
Dank (positivem) Nachlauf läuft der Vorderrad-Aufstandspunkt der Lenkachse "hinterher" und möchte so das Vorderrad in Richtung Geradeaus-Stellung ziehen, wie beim Einkaufswagen.

Guckst Du hier:

http://www.kreuzotter.de/images/lenkgeom.gif
N=Nachlauf

Tønne

Orli · #4 Beitrag von **Orli** » 4. Januar 2004, 20:40

Besten Dank für die Erklärungen und die Skizzen!

Jetzt hab ich es verstanden!!

Mein Bikergruss und Dank geht nach Bremen und nach Emsdetten.

Freundlichst,
Orli

Blue · #5 Beitrag von **Blue** » 5. Januar 2004, 11:01

Die Wirkung eines großen bzw. sehr kleinen Nachlaufs kannst Du am besten mal vergleichen, wenn Du Dich auf ein Tourenfahrrad und anschließend mal auf ein Rennfahrrad setzt.

Das Tourenfahrrad, mit relativ schräg stehender Vorderradgabel, läuft geruhsam geradeaus und Du mußt am Lenker richtig l e n k e n um es in eine Kurve zu fahren. Das Rennrad mit fast senkrecht stehender Vorderradgabel, läßt sich hingegen schon mit minimalsten Lenkkräften in eine Kurve steuern.

Fährst Du mit einem Touranfahrrad sehr langsam, so ist das ohne allzu große Kippelei noch möglich, eben weil aufgrund des großen Nachlaufs des Vorderrades trotz fehlender Fahrt und der dabei stabilierenden Kreiselkräfte der Räder immer noch eine große Richtungsstabilität gegeben (und bei dieser Art Rad gewollt) ist.
Versuchst Du das gleiche mit einem Rennrad, so bemerkst Du, daß dies Rad deutlich instabiler ist.

Der jetzt bei der LT vergrößerte Nachlauf soll die (offenbar nicht nur von mir sondern vielen anderen Fahrern) bemängelte geringe Stabilität der Maschine bei sehr langsamer oder Rangierfahrt erhöhen.

Thomas_Ziegler · #6 Beitrag von **Thomas_Ziegler** » 5. Januar 2004, 11:06

Hallo Blue,

am Beispiel Fahrrad gut erklärt. Wenn das bei der Neuen mal nicht das Handling verschlechtert

.

Gruß

Thomas

Gottfried · #7 Beitrag von **Gottfried** » 5. Januar 2004, 14:22

Thomas_Ziegler hat geschrieben:Wenn das bei der Neuen mal nicht das Handling verschlechtert

Wenn ich das richtig verstehe, dann verschlechtert sich das Handling bei engen Kurvenradien

, wo es jetzt schon bei geringer Geschwindigkeit wackelig zugehen kann

Thomas_Ziegler · #8 Beitrag von **Thomas_Ziegler** » 5. Januar 2004, 14:39

Hallo Gottfried,

ich dachte an das Handling auf schnell gefahrenen kurvigen Streckenabschnitten

beim Einlenken, nicht unbedingt an Kehren bei langsamer Fahrt.

Gruß

Thomas

Orli · #9 Beitrag von **Orli** » 5. Januar 2004, 14:40

Danke für die "bildliche" Darstellung,

aber mal im ernst, sind 8 mm grösserer Nachlauf wirklich spürbar? Ich glaube, dass ich als LT-Neuling dies nicht zu unterscheiden vermag oder liege ich da falsch?

Gelernt hab ich mal (als Faustregel), dass jedes Motorrad unter 25 km/h wackelig wird, so wird beim rangieren welches unter dieser kritischen Geschwindigkeitsmarke geschieht (so hoffe ich auf alle Fälle), dieser grössere Nachlauf nicht spürbar sein. Im Gegenteil, theoretisch wird es schwieriger werden, so wie es Thomas bereits erahnt.

Sind somit diese 8mm bloss ein "nice to have" für einen stabileren Geradeauslauf bei mittleren Geschwindigkeiten?

Bin gespannt, wie sich die LT-Altmeister dazu äusseren!

Gruss Orli

billholler · #10 Beitrag von **billholler** » 5. Januar 2004, 23:51

Danke Leute für die tollen Erklärungen. Das war wirklich informativ.

Ich habe nämlich oft noch gegrübelt, warum es mich am 3. Juli letzten Jahres so von einer kleinen giftigen Maschine geschmissen hat, dass ich dann so ausgesehen habe, wie ihr dies auf diesen Seiten in meinem Album seht: http://www.kitservice.de/album/album.htm
Und dort einfach auf "uuuuups..." klicken.

Das Mopped hatte einen sehr geringen Nachlauf und ich war in einer Rechtskurve nach einer Ausweichübung. Hatte dummerweise vorne noch die Bremse drin und da hat es mir den Lenker abrupt nach rechts gezogen und sofort lag ich auf der Schnauze.

Durch dieses giftige Verhalten - mangels ausreichendem Vorlauf - wird die Maschine halt auch um einiges unangenehmer. Und wenn man dann nicht aufpasst - so wie ich damals - dann liegt man halt schnell flach.

Da finde ich das Verhalten der K1200LT um Längen besser. Lieber schiebe ich sie ein bisschen um die Kurve, so wie einen Tanker und nehme bei engen Straßen auch schon mal das zurücksetzen in Kauf. Besser als so ein giftiges Ding, was mir Kurven zeigen will, auch wenn ich das vielleicht nicht so will.

Und ich fühle mich freihändig auf der K1200LT sicherer als mit vollem Einsatz auf sonem kleinen giftigen Ding. Und ich bin froh, diese zu fahren. Lieber mal ein bisschen mehr Kraft aufwenden, die 380kg plus um die Ecke zu bringen und dafür eine ruhige und stressfreie Fahrt haben. Das ist für mich wichtig.

Bill Holler

Mac · #11 Beitrag von **Mac** » 18. Januar 2004, 19:47

Zu dem Thema Nachlauf muß ich noch meinen (nicht ernstgemeinten) Senf dazugeben:
Ich habe meine LT mal nicht in der Garage gewaschen weil sie sehr schmutzig war und wollte leicht mit dem Hochdruckreiniger rangehen. Aber vor der Garage ist es leicht abschüssig. Wie hinstellen? Ich habe sie vorwärts bergab auf den Hauptständer gestellt. Als ich das Hinterrad beim Reinigen etwas gedreht habe, kippte der Hauptständer nach hinten.
Da ich zwei Tage später einen neuen Hinterreifen bekam, hatte ich Glück, daß der Reifen plattgefahren war.

Fazit: Da die Maschine nicht gleich umfiel, hatte ich einen relativ großen Nachlauf (zu Fuß) bis ich sie abgefangen hatte. Wäre der Reifen schon ersetzt worden wäre der Nachlauf nur ganz kurz gewesen, weil sie umgefallen wäre.

Also merke: auch der Reifen spielt für den "Nachlauf" eine Rolle.

Grüßle an alle
Jürgen x

Mac · #12 Beitrag von **Mac** » 18. Januar 2004, 20:16

Mac hat geschrieben:Zu dem Thema Nachlauf muß ich noch meinen (nicht ernstgemeinten) Senf dazugeben:
Ich habe meine LT mal nicht in der Garage gewaschen weil sie sehr schmutzig war und wollte leicht mit dem Hochdruckreiniger rangehen. Aber vor der Garage ist es leicht abschüssig. Wie hinstellen? Ich habe sie vorwärts bergab auf den Hauptständer gestellt. Als ich das Hinterrad beim Reinigen etwas gedreht habe, kippte der Hauptständer nach hinten.
Da ich zwei Tage später einen neuen Hinterreifen bekam, hatte ich Glück, daß der Reifen plattgefahren war.

Fazit: Da die Maschine nicht gleich umfiel, hatte ich einen relativ großen Nachlauf (zu Fuß) bis ich sie abgefangen hatte. Wäre der Reifen schon ersetzt worden wäre der Nachlauf nur ganz kurz gewesen, weil sie umgefallen wäre.

Also merke: auch der Reifen spielt für den "Nachlauf" eine Rolle.

Grüßle an alle
Jürgen